In Ketten am Eisengitter

1) Steh ich am einsamen Gegitter,     
Schau in die stille Einsamkeit,
Klage Gott und weine bitter,
Klage Gott mein Herzeleid.

2) O, wie dunkel sein die Mauern,
Und die Ketten sein so schwer,
Tut mich auch kein Mensch bedauern,
Ist für mich kein Rettung mehr ?

3) Meine Mutter ist gestorben
Die ich als Mutter hab genannt,
Und mein Vater, der mich liebet,
Ist so weit von mir entfernt.

4) « Jüngling, Jüngling, meinst du’s redlich,
Oder treibest du nur Scherz ?
Die Gedanken sein gefährlich,
Die du treibst, mein junges Herz. » –

5) « Die erste Lieb, die geht von Herzen,
Die zweite brennt wie Feuer heiss,
O, wie glücklich lebt auf Erden,
Der von keiner Lieb nichts weiss !

6) Sollt ich aber unterdessen
Auf dem Todsbett schlafen ein,
So pflanz du auf meinem Grabe
Eine Blum Vergissnichtmein ! »

Gebweiler und Mothern vor 1870

Source
« Das Volkslied im Elsass », Joseph Lefftz, vol. 2,  pages 30 et 31

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