Erscheinung auf dem Kirchhofe (die)
1) Weint mit mir, ihr nächtlich stillen Haine,
Zürnet nicht, ihr morschen Totenbeine,
Wenn ich euch in eurer Ruhe stör.
2) Ja, sie schwur, mir nächtlich zu erscheinen,
Sich mit mir auf ewig zu vereinen,
Wenn die stille Geisterstunde ruft.
3) Zwölf Uhr ist’s am Kirchenturm vorüber,
Matt und kraftlos sind schon meine Glieder,
Einsam steh ich hier an ihrer Gruft.
4) Horch, was rauscht dort an der Kirchhofsmauer ?
Ach, erschrecklich ! mich erfüllt’s mit Schauer,
Immer näher kommt es zu mir her.
5) Ganz schneeweiss in einem Totenkleide,
Schön geziert mit himmlischem Geschmeide,
Ach, wenn’s doch nur Wilhelmine wär !
6) « Ja, ich bin’s », sprach sie mit leiser Stimme,
« Vielgeliebter, deine Wilhelmine,
Schrecklich rauscht’s in der Verwesungsgruft.
7) Schau herab, wie schauerlich, wie düster !
Schrecklich haust allhier das Wurmgenüster,
Flieh von hier, bis einst der Tod dich ruft ! »
8) « Ja, wie kann ich dich jetzt schon verlassen !
Darf ich dich nicht noch einmal umfassen ?
O, so schlummre sanft und selig hier !
9) Mach mir Platz in deiner Totenkammer,
Mich verzehrt der Kummer und der Jammer,
Morgen, morgen bin ich schon bei dir ! »
Lampertsloch 1904
Source :
"Das Volkslied im Elsass", Joseph Lefftz, vol. 1, page 169 (voir la bibliographie)