Das Bittereleidenslied
1) Jesus ging den Berg hinan.
Er ruft sein lieben Vater an.
„Ach Vater, herzliebester Vater mein,
Der Pein kann ich nicht überhoben sein?“
2) „Ach Sohn, du liebster Sohne mein,
Der Pein kannst nit überhoben sein.
Es ist viel besser, du stirbst allein,
Als alle Christen insgemein.“
3) Jesus ging in den Garten,
Sein Marter wohl erwarten.
Da schliefen ihm die Jünger all ein,
Der gütige Herr stund gar allein.
4) Die Juden kommen gegangen
Mit Spiessen und mit Stangen,
Mit Grimmen und mit falscher List,
Sie suchen den Herrn Jesu Christ.
5) Als Jesus all die Juden sah,
Sprach er zu ihnen : „Wen suchet ihr da?“
‚Wir suchen Jesum von Nazareth.‘
„Ei, der bin ich, den ihr sucht.“
6) Die Juden sehr erstarrten
Vor unseres Herren Worten.
sie fielen alle hinter sich,
Der gütige Herr stund trauerig.
6) Er hiess sie wiederum auferstehn
Und liess sie wieder zu ihm gehen.
Da küsst ihn Judas auf sein Mund
Aus ungetreuem, falschem Bund.
7) Die Zeit, die währt nicht lange,
Sie nahmen den Herrn gefangen.
Indem zog Petrus ’raus sein Schwert,
Hieb Malchus sein recht Ohr hinweg.
8) „Ach, Petre, steck dein Schwert hinein,
Ich will gar ungefochten sein.
Kein Fechten will ich von dir han.“
Jesus setzt ihm sein Ohr wieder an.
9) Da stund auf die ganze Rott,
Sie führten ihn mit Schimpf und Spott,
Sie brachten ihn vor Annas dar,
Der auch ein Hoher-Priester war.
10) Bei Annas war ein böser Wicht,
Der schlug ihm in sein Angesicht.
Bald führt man ihn zum Kaïphas,
Der trug wider ihn gar grossen Hass.
11) Jesus war so sehr veracht,
Und ward verspott’ die ganze Nacht.
Ein jeder wollt der Meister sein,
Der ihm antut die grösste Pein.
12) Da litt er grosse Marter und Schand,
Vor den Pilatus wird’r gesandt :
Die Juden ihn da klagen an
Als ein bösen, falschen Mann.
13) Sie schrieen all aus grimmiger Wut :
„Auf uns kommt dieses Menschen Blut.
Auf uns und unsere Kinder. Nein !
Lass sein, du bist nicht des Kaisers Freund !“
14) Pilatus sich von ihnen wend’t,
Mit Wasser wäscht er seine Händ,
Er liess ihn auch greulich geisseln tun,
Und von Dörnen setzt er ihm auf ein Kron.
15) Sie nahmen seiner gut in acht,
Ein Kreuz hatten sie ihm gemacht.
Das trug er gar geduldiglich
Auf seinem Rücken kümmerlich.
16) Sie zwangen Simon, einen Mann,
Dass er das Kreuz muss helfen tran
Bis auf den Berg Kalvariä.
Da ging erst an sein Pein und Weh.
17) Jesus ward ans Kreuz gehängt,
Mit Gall und Essig ward er getränkt.
Er ruft zu Gott gar flehentlich :
„Ach, Vater, wie hast verlassen mich !“
18) Die Juden sprachen viel mit Spott :
Bis du Gottes Sohn und nennst dich Gott,
So hilf dir selbst und steig herab ! –
Hiermit Jesus seinen Geist aufgab.
19) Wir bitten dich, o getreuer Gott,
Durch deinen bitteren, schweren Tod
Und durch das bittere Leiden dein,
Du wollst uns Sündern gnädig sein.
20) Ach Jesus, ach, unschuldiges Blut,
Das Herz im Leib mir brechen tut,
Wenn ich gedenk an all dein Not,
An Kreuz, an Pein, an deinen Tod.
21) Es muss ja sein von Stahl ein Herz,
So nicht bewegt so grosser Schmerz.
Gross war …. dein Pein,
Mehr Pein als Wasser in dem Rhein.
22) Im Garten hast du Blut geschwitzt,
So grosse Angst dein Herz erhitzt,
Dein Händ gebunden auf den Rück,
Geschleppt durch Döre, dick und dünn.
23) Verspott’, verschmäht, mit Backenstreich
Geschlagen schwarzbraun, blau und weich,
Dein zarter Leib mit Ruten scharf
Zerhackt, dass ich’s nit zeigen darf.
24) Nichts war an deinem Leib als lauter Wund,
Kein Glied am ganzen Leib gesund,
Das Fleisch zerrissen und zerfetzt,
Kein Ader blieb ganz unverletzt.
25) Im Purpurkleid mit hohlem Rohr
Verspott’ warst du gleich wie ein Tor,
Dann musst du gesehn vor aller Welt
Kein’m Menschen gleich, so ganz verstellt.
26) Auf deinem Haupt ein Dornenheck,
So scharfe Döre, so lange Zweck
Geschlagen ein durch alle Bein,
Ganz durch dein Haupt ins Hirn hinein.
27) Dazu ein Kreuz der schweren Last,
Das er selbst schleifen muss ohn Ruh und Rast,
Zur Stadt hinaus durch rauhe Weg
Bergauf, bergab, durch schmale Steg.
28) Kein Ader, kein Sonderloch,
Kein Aug, kein Ohr, ein Dorn drin stoch.
Aus deinem Haupt das Blut
Aus Mund und Nas herauserschoss.
29) Ein Trunk von Gall ward dir geschickt,
Mit Essig ward dein Zung erquickt.
O Gall, o Essig, du bitterer Trank,
Gesunde Leut sollst machen krank.
30) Aufs Kreuz geworfen mit aller Macht,
Dass Rippen, Bein und alles kracht,
Durch deine Händ und Füss drei Nägel gross
Geschlagen ein. Da hängst du bloss.
32) Gleichwie der Wein aus vollem Fass,
So floss das Blut, macht alles nass.
Gross muss hier gewesen sein
Dein Schmerz und Weh, dein Marter und Pein.
33) Es muss je sein von Stahl ein Herz,
So nicht bewegt so grosser Schmerz.
Getröst dich hierbei, du frommer Christ,
Wenn’s dir auf Erden übel ist.
Source :
« Verklingende Weisen, Lothringer Volkslieder », Louis Pinck, vol. 2, page 21 (voir la bibliographie)