Mädchenräuber (der)
1) Es reitet ein Reiter über Berg und Tal,
Er tut es so wunderschön singen
Ein Liedel auf zweierlei Stimmen,
Ein Liedel auf zweierlei Stimmen.
2) Ein Mädchen, das am Fenster sass
Und hörte den schönen Reitersgesang :
« Ach könnt ich nur singen wie jener !
Den tät ich lieben und ehren. »
3) Er nahm das Mädchen bei der Hand
Und schwenkt es auf sein hohes Ross.
Er reitet so tapfer und balde
In den nahen stockfinstern Walde.
4) Sie kamen vor einen Täubeleinstock,
Worauf nichts wie Turteltauben sassen.
Die Täubelein liessen sich’s hören :
« Schöne Jungfrau, lass dich nicht verführen ! »
5) Sie kamen vor einen seltenen Brunnen,
Woraus nichts wie Wasser und Blut rausronnen.
« Heut hab ich ja schon die elfte,
Die zwölfte sollst du es noch werden. »
6) Als das Mädchen dies gehört,
Es ward ja ganz, ja ganz verstört.
« Ach, lass mich drei Schreierlein tun ! »
« Drei Schreierlein, die lass ich dir gerne,
Es ist niemand im Walde, der’s höre. »
7) Den ersten Schrei, den sie ausruft,
Den ruft sie ihrer Mutter zu.
« Ach Mutter, komm nur geschwinde !
Mein Leben das geht in den Winde. »
8) Den zweiten Schrei, den sie ausruft,
Den ruft sie ihrem Vater zu.
« Ach Vater, komm nur balde !
Mein Leben geht in dem Walde. »
9) Den letzten Schrei, den sie ausruft,
den ruft sie ihrem Bruder zu.
« Ach Bruder, komm nur zu helfen !
Mein Leben geht jetzt zu Ende. »
10) Und sein Bruder, der ein stolz Jägerle war
Und alle Tierlein schiessen tat,
Der hörte sein Schwesterlein schreien.
Sein Herz tut sich’s erweichen.
11) Er ladet die Flint und spannte den Hahn
Und schoss den stolzen Reiter zusammen,
: Den Reiter mitsamt dem Pferde. :
12) « Ach Reiter, dir solle es gedenken,
Dass du kein Mädchen mehr henkest. –
Mädchen, aud keinen Reiter sollst trauen,
Auf Gott sollzt hoffen und bauen ! »
Limersheim 1912
Source :
"Das Volkslied im Elsass", Joseph Lefftz, vol. 1, page 99 (voir la bibliographie)