Vielleicht zum letzten Mal

1) Holde Nacht, dein dunkler Schleier deckt
Mein Gesicht vielleicht zum letzten Mal,
Morgen vielleicht schon dahingestreckt,
Ausgelöscht aus der Lebend’gen Zahl.

2) Morgen ziehen wir mit unsern Brüdern
Für euch und für das Vaterland zum Streit,
Aber ach, so mancher kommt nicht wieder,
Wo der Freund dem Feind sein Denkmal weiht.

3) Hier liegt ein Held mit Sand bedecket,
Weinend sinkt sein Mädchen an sein Grab ;
Dort liegt schon ein Sohn dahingestrecket,
Der seinen Eltern Brot im Alter gab.

4) Freudig hüpft und frägt ein muntrer Knabe :
« Ach, Mutter, kommt nicht unser Vater bald ? » –
« Du liebes Kind, dein Vater liegt im Grabe,
Sein Auge sieht nicht mehr den Sonnenstrahl. »

5) O Mädchen, denke nicht mehr an jene Bande,
Denk nicht an Freud und Hochzeitstag,
Denn dein Geliebter schlummert schon im Sande
Verblichen ist der Hochzeitskranz !

6) Traurig geht es unseren Brüdern,
Hier und dort als Krüppel wandern sie,
Aber Pflicht ist’s, dass ein jeder mutig
Seinem Feind entgegen zieht.

7) Und schlägt mich des Feindes Kugel nieder,
So schwingt mein Geist gar hoch empor,
Und, wer weiss, sehen wir uns jemals wieder,
Drum Freunde lebet, lebet ewig wohl !

Bischweiler 1854
 

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