König von Rom (der)

1) Im Garten zu Schönbronnen,
Da liegt der König von Rom,
Sieht nicht das Licht der Sonnen,
Sieht nicht des Himmels Dom.
Am fernen Inselstrande,
Da liegt Napoleon,
Liegt da zu Englands Schande,
Liegt da zu Englands Hohn.

2) Im Garten zu Schönbronnen,
Liegt der König von Rom,
Sein Blut ist ihm geronnen,
Es stockt sein Lebenstrom.
Am fernen Inselstrande,
Da liegt Napoleon,
Liegt nicht in seinem Lande,
Liegt nicht bei seinem Sohn.

 


3) Liegt nicht bei seinen Kriegern,
Bei den Marschällen nicht,
Liegt nicht bei seinen Siegern,
Liegt in Europa nicht ;
Liegt hart und tief gebettet
Im fernen Merreskreis,
Am Felsen angekettet –
Ein toter Prometheus.

4) Wo Baum un Blatt und Reiser
Versengt der Sonnenstrahl,
Da liegt der grosse Kaiser,
Der kleine Korporal.
An seinem Grabe fehlen
Zypress und Blumenstab,
Am Tage Allerseelen
Besucht kein Mensch sein Grab.

5) So liegt er lange Jahre
In öder Einsamkeit ;
Da klopft es an der Bahre
Um mitternächtlige Zeit.
Es klopft und rufet leise :
« Wach auf, du toter Held !
Es kommt nach langer Reise
Ein Gast aus jener Welt. »

6) Es klopft zum zweiten Male :
« Wach, grosser Kaiser, auf !
Es kommt vom Erdentale
Ein Bote dir herauf ! »
Es klopft zum dritten Male :
« Wach, Vater, auf geschwind !
Es kommt im Geisterstrahle
Zu dir dein einzig Kind ! »

7) Da weichen Erd und Steine,
Es tut sich auf der Sarg,
Der lange die Gebeine
Des grossen Kaisers barg.
Da streckt des Kaisers Leiche
Die Knochenarme aus
Und zieht das Kind, das bleiche,
Hinab ins Bretterhaus.

8) Und ziehet es hernieder :
« So seh ich, teurer Sohn,
Seh ich endlich wieder,
Mein Kind, Napoleon ! »
Un rücket an die Seite
Und rücket an die Wand.
« Mein Kind, das ist die Breite
Von meinem ganzen Land. »

9) Da schlingen die Gerippe
Die Knochen ineinand
Und liegen Lipp an Lippe,
Und liegen Hand in Hand.
Und zu derselben Stunde
Schliesst auch das Grab sich schon,
Das war die letzte Stunde
Vom Haus Napoleon.

Ursprüngliche Melodie des Komponisten Almenräder, Text Hunspach 1853.

Source
« Das Volkslied im Elsass », Joseph Lefftz, vol. 1,  page 273 (voir la bibliographie)

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