Erscheinung in der Brautnacht (die)

1) Heinrich schlief bei seiner Neuvermählten,
Einer reichen Erbin von dem Rhein.
Schlangenbisse, die den Falschen quälten,
Liessen ihn nicht ruhig schlafen ein.

2) Zwölfe schlug’s, da drang durch die Gardine
Plötzlich eine weisse kalte Hand.
Was erblickt er ? Seine Wilhelmine,
Die im Sterbekleide vor ihm stand.

3) « Bebe nicht », sprach sie mit leiser Stimme,
« Ehmals mein Geliebter, bebe nicht !
Denn ich erscheine nicht vor dir im Grimme,
Deiner neuen Liebe fluch ich nicht.

4) Zwar der Kummer hat mein junges Leben,
Liebster Heinrich, plötzlich abgekürzt,
Doch der Himmel hat mir Kraft gegeben,
Dass ich nicht zur Hölle bin gestürzt.

5) Warum traut ich, Schwache, deinen Schwüren ?
War es doch nur lauter Heuchelei !
Warum liess ich mich durch Worte rühren ?
War es doch nur lauter Schmeichelei ! »

Harskirchen 1908

Source :
"Das Volkslied im Elsass", Joseph Lefftz, vol. 1,  page 165 (voir la bibliographie)

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